Zeit der Mitte
23. Dezember 2006 - 16. Februar 2007
ZENTRALAMERIKA

Livingston (07.02.07)
Was für ein Ort! Eine Ecke von Guatemala und dennoch völlig anders, als alles, was wir bisher kennengelernt haben. Livingston hat Charme, Charakter und trieft vor Flair. Bewohnt vorwiegend von Garifunas, den schwarzen Nachkommen von Sklaven die ihre eigene Sprache sprechen und ihren Kindern den Punta-Tanz lehren. Polo, ein Puntamusiker, erklärt uns aufgeregt, dass dies die einzige und wahre Karibikkultur ist.

Er führt uns, ob wir wollen oder nicht, von Puntabar zu Tanzplaza und bald zu einer alten Lady, die uns für einen Spezialpreis die Wäsche waschen sollte. Der Preis war dann auch speziell, nämlich unverschämt hoch, was aber bestimmt einem guten Zweck dient, so hofften wir.

Das Städtchen erscheint uns goldrichtig für eine angemessene Geburtstagsfeier im engsten Familienkreis, wir schlemmen einen kreolisch zubereiteten Riesenfisch und weil in diesem stillen Örtchen die Gehsteige um 7 eingerollt werden, feiern wir ganz leise die Geburtstagsverlängerung auf unserer schönen Boulevardterrasse im Kerzenlicht bei frischgebackenem Schokokuchen. Ich baumele in meiner tollen neuen Hängematte und frage mich, ob ich in den letzten 40 Jahren jemals meinen Geburtstag schwebend gefeiert habe!

Durch die idyllische Geburtstagsfeier noch leicht getrübt, schippern wir über Puerto Barrios im Schnellboot nach Punto Gorda, dem Südzipfel von Belize, diesem anderen Land in Zentralamerika, dessen offizielle Landessprache Englisch ist.
petra

BELIZE
Wann weißt Du dass Du in Belize bist?
Wenn die Zollbeamten in Punto Gorda:

  • Fernsehen, während sie deinen Pass kontrollieren
  • die rote Farbe deines Passes dazu veranlasst, dir 100 Dollar abzunehmen und sie dir von Hand und ohne Erklärung „single“ reinschreiben.
  • auf Fragen meinerseits mit der Antwort: “Weil Kartoffelsalat kein Vogel ist“ antworten.
  • dich und dein Fahrrad im Liegen und mit einer müden Handbewegung zum Weitergehen auffordern.

Wenn die Menschen:

  • Mehrheitlich Schwarz sind
  • Englisch, Kreolisch, Chinesisch, Spanisch oder Maya sprechen
  • Hey, maeaean, what's up, maeaean! Sagen
  • Dir 20 Meter neben der Immigration einen Joint anbieten
  • Wenn Wildfremde dich mit “my friend“ ansprechen und du nach wenigen Metern merkst, dass sie dich für einen Geldautomaten auf Rädern halten.
  • Wenn dir am Strand ein kleines, schwarzes Bündel mit Windeln, Schnuller und kugelrunden Augen angeboten wird.

Wenn das Land:

  • nach Orangenblüten riecht
  • viele gerade, unbefahrene Strassen hat
  • um 17.30 alle Rollläden runterlässt
  • Dich jeden Tag auf den Karibikzauber warten lässt

Wenn die Hunde:

  • alle aussehen, als würden sie ihren Nachbarn zum Frühstück verspeisen
  • Dick oder vollschlank sind
  • an der Leine Gassi geführt werden

GUATEMALA zum Zweiten
Land des Lächelns
In Belize, wo die Zentralstrasse mitten durch den Friedhof ins Zentrum von Belize City führt, sitzen wir mit Blick auf die malerische Bucht und beschließen einen Abstecher nach Guatemala .Wir wollen die Maya- Ruinen von Tikal sehen und gleichzeitig den so drastischen Kulturwechsel etwas bewusster erleben. Von San Ignacio über die Grenze nach Guatemala zurückzukehren entlockt mir einen tiefen Seufzer der Erleichterung. Weit weg und zu schnell vollzogen erschien mir der Kulturwechsel zwischen Latinomentalität und Belize. Hatten wir uns nicht so manche Latinoeigenart zu Eigen gemacht, lieben und schätzen gelernt, in den letzten 13 Monaten akzeptiert oder toleriert und immer weniger versucht, unsere europäischen Maßstäbe einzuflechten oder überzustülpen oder vielmehr es zu schätzen und uns über phantasievolle Lösungen und Wege zu amüsieren anstatt zu triumphieren? Wenn es mir bis dahin noch nicht bewusst war, so spüre ich es deutlich vom ersten Tag an in Belize. Eine Spur von Trauer erfüllt mich, das Liebgewonnene so schnell loszulassen.

Da ist dieser Abstecher nach Guatemala ein kleiner Aufschub des Abschieds. Und was für einer! Die Stadt Flores, unweit der Grenze Belize - Guatemala liegt idyllisch auf einer kleinen Insel im Peten - Itza See und ist Ausgangspunkt für die Besichtigung der Ruinen von Tikal. Klein ist es, wirkt gepflegt und verbirgt gemütliche Cafes und lustig gestaltete Hotels in den engen kopfsteingepflasterten Gässchen. Ich fühle mich auf Anhieb wohl und stromere aufgeregt durch die Strassen. Die Hospedaje, die wir uns aussuchen, hat heute Nacht keine Betten frei, dafür aber zwei Hängematten, gerade das Richtige, um die kurze Nacht zu durchbaumeln. Wir starten um 3.30 und werden in den Dschungel geführt, dort wo der Eingang zur alten Mayastadt Tikal liegt. Wir spazieren, begleitet von Manolo, durch das finstere Weggewirr zum Sonnentempel. Der gellende Schrei einer Chilenin hallt durch die Nacht. Der Grund ist eine Tarantel, die unseren Weg kreuzt. Ein wirklich großes Exemplar, welches sichtlich unangenehm in seiner Nachtaktivität gestört, die Flucht aus unserem Taschenlampenlicht ergreift. Dipo mit erstauntem Blick: “Bist du nicht erschrocken?“. „Doch, doch! Aber Benedicta hat ja für uns alle gequietscht, und wie man sieht, ist die Spinne mehr über unseren Auftritt empört!“

Wir sitzen um 5.50 auf den Mauern des Sonnentempels und genießen still und fasziniert den Sonnenaufgang über den Ruinen im Dschungel.

Ein Farbenspiel ergießt sich über den noch nebelfeuchten Wald und aus den schattenartigen Steingebilden wachsen bald Tempel um Tempel aus dem grünen Dickicht. Stundenlang schlendern wir von Gebäuden zu Tempeln, von Spielplatz zu Opferstätten. Wir erklettern einige der Pyramidentempel und freuen uns darüber, die Aussicht über das Dschungeldach zu erobern! Tukane fliegen, von hier oben gut sichtbar, ihre Morgenrunde und Spinnenaffen schwingen durchs Geäst! Wir schnuppern an duftenden Blumen und exotischen Medizinalpflanzen und sehen Blattschneideameisen zu, die ihre schwere Last in Löchern verschwinden lassen. Während Schmetterlinge tanzen und die alte Stadt sich immer mehr mit Schaulustigen füllt, suchen wir uns ein stilles Örtchen am See, zurück in Flores. 

Wir saugen die würzige Luft der Mayawelt ein, bestaunen die feingewebten Stoffe und etwas wehmütig machen wir uns auf den Weg nach Osten, zurück nach Belize.

Die erneute Begrüßung an der Grenze begünstigt das Auflösen der Schwermut nicht wirklich. Ich höre gleich nach dem erwarteten „Welcome in Belize!“ ein „You are Swiss, you need a Visa!“. „Ja ich weiß, es ist im Pass auf Seite 23!“. „This is only for one entry!“…“Aber es gilt doch für drei Monate!“ „No Visa, no entry“. Aufgebracht, aber nicht sprachlos enden wir nach einer wandansprachähnlichen Tirade beim Supervisor! Ich gebe meinem Gefühl der Ungerechtigkeit freien Lauf und wahrscheinlich nur dank den beschwichtigenden Worten Dipos, solidarisch mit dem fassungslosen Blick des Supervisors, bekomme ich anstatt eines Eintrittsverbotes ein Transitvisum verpasst, das uns drei Tage Zeit lässt, das Land Belize wieder zu verlassen. Da dies genau unserem Reiseplan entspricht und ich nicht vorhabe, meine Gefühle gegenüber der Bürokratie von Belize weiter zu vertiefen, ziehen wir zufrieden und stolz über diesen kleinen Erfolg von dannen. Zwei Tage danach rollen wir im Norden über die Grenze nach Mexiko.
petra

36 | Livingston (07.02.07), BELIZE,
GUATEMALA zum Zweiten (16.02.07)