Die Berichte |
Sucre-Aiquile-epizana-Cochabamba- la Paz (10.08. - 29.08.06) |
Schweren Herzens und schwerer Beine verabschieden wir uns von unseren neuen Freunden in Sucre. Jorge begleitet uns auf seinem Motorrad, seine kleine Tochter hintendrauf, aus der Stadt hinaus. Nach wenigen Kilometern sitzen wir wieder fest im Sattel und schaffen es in ein paar Tagen über Epizana und Cochabamba nach la Paz. Eine herrliche Strecke, einsam, hügelig über Kopfsteinpflaster wie auf einer alten Römerstrasse. Wir zelten oft, kochen abends im Schein der Stirnlampe haarsträubend grosse Portionen und fallen um acht in tiefen Schlaf. Wir werden Zeuge einer "Erntedankzeremonie", der archaischen Opferung eines Lamas. Dessen Blut wird in alle Winkel des Hauses verspritzt, der Schamane hat es zuvor freundlicherweise mit Schnaps und Koka gefügig gemacht, so dass es gelassen seiner Bestimmung entgegensieht. La Paz im Abendlicht ist ein unvergleichlicher Anblick: Inmitten eines Talkessels liegt diese Millionenstadt, von dem hoch gelegenen "Mirador" aus betrachtet sieht sie aus wie ein riesiges Korallenriff, immer weiter schieben sich an den Hängen die Häuser hoch. Wir rasen auf der Stadtautobahn hinein und stürzen uns in das Gewusel aus qualmenden Minibussen, aus deren offenstehenden Türen das Fahrtziel in unverständlichem Kauderwelsch gebrüllt wird. In den Strassen wimmelt es von fahrenden Händlern, Schuhputzern und obskuren Geldwechslern. Wir schlendern nachts durch den "Hexenmarkt" und bestaunen alle möglichen teuflischen Ingredienzen, Kräuter und getrocknete Lamaföten, die hier lautstark feilgeboten werden. Letztere werden beim Hausbau eingemauert, um die Geister milde zu stimmen. Die meiste Zeit verbringe ich jedoch im Postamt, leider sind meine Bemühungen umsonst, der öffentliche Apparat tritt nämlich in den Hungerstreik. Mein Paket mit neuen Filmen kann ich also abschreiben. Etwas missgelaunt ob der lateinamerikanischen Bürokratie, die ich aufgegeben habe begreifen zu wollen, treten wir die Weiterreise an. Hierzu eine Anekdote aus dem täglichen Leben: Der Eiskauf Ich betrete nach entbehrungsreicher Fahrt ein Eislokal, die Warnungen bezüglich gesundheitlicher Risiken sind uns schon lange egal. Voller Vorfreude bestelle ich bei der gelangweilten Eisfachverkäuferin eine Waffel mit Zitrone und Schokolade (das ess ich immer!). Die Perle schickt mich jedoch zuerst zur Kasse am anderen Ende des Lokals, wo ich gegen mein Geld zwei abgestempelte und handschriftlich signierte Belege ausgehändigt bekomme. Natürlich hat die Kassenchefin kein Wechselgeld und verschwindet erst mal, um im Nachbarlokal solches zu besorgen. Stolz und bereits mit Speichelfluss lege ich meine Errungenschaft der Eisprinzessin vor, mit der wiederholten Bitte nach Schoko und Zitrone. "Fuer diesen Beleg bekommst du aber nur einen Geschmack...!" Ich wiederhole also die Prozedur, während Petra mich durchs Schaufenster ungläubig angrinst. Zahlung und Neuausführung der schriftlichen Formalitäten gehen dann recht flott vonstatten und mit den Worten " Otra vez, Limon y chocolate, por favor!" lege ich freudestrahlend meine Scheine auf die Eistheke. Völlig ungerührt sagt die eiskalte Schönheit." Limon no hay!", Zitrone hammer ned! Mit Erdbeer verlasse ich das Lokal. Bei Schneefall strampeln wir aus dem Talkessel heraus. Die Strassen sind wie leergefegt, wo tags zuvor noch das Chaos pulsierte. Das Land befindet sich im Generalstreik, der gesamte öffentliche Verkehr liegt lahm, d.h. der gesamte Verkehr, denn individuell fährt hier niemand. Vorsichtig nähern wir uns den Strassenblockaden, wo man uns jedoch passieren lässt. Auf unsere Frage jedoch, was denn das Anliegen des Streiks sei, bekommen wir nur abweisend zur Antwort: "Das geht euch Gringos nichts an!". Wir suchen also das Weite, bevor der Alkoholpegel der Streikenden noch weiter steigt und freuen uns über leere Strassen bis zur peruanischen Grenze. Den Lago Titicaca können wir schon in der Ferne riechen und wir gratulieren uns freudig zu einem weiteren Meilenstein auf unserer Reise. |