Die Berichte

Mendoza (26. Mai) –Zeit der Stille – Salta (13. Juni)

Zeit der Stille
Meine Route soll eine kleine Vorbereitung auf kommende Höhen sein, die uns in den nächsten Wochen erwarten. Sie führt mich zurück nach Acheral, dann über 231 Kilometer hinauf durch ein regenwaldaehnliches Tal in ein 2500m hohes Hochtal vorbei an einem glasklaren See nach Tafi del Valle, ein kleines hübsches Dörfchen am Fusse des “Paso de Infernillo”, der etwas ueber 3000m liegt, um dann in einer langen Abfahrt vorbei an Riesenkakteen nach Amaicha zu gelangen.
Die Nächte und Abende so alleine sind länger als sonst und automatisch hoere ich auf jedes ungewoehnliche Geräusch, das sich um mein Zelt herum auftut. Was ich sonst gar nicht tue oder dem Dipo überlasse. So war dann eine Nacht auch früh vorbei, als ein Tier beschliesst, vom Baum, unter dem mein Zelt stand, hinunter, direkt auf mein labiles Dach zu hopsen und mich unsanft aus dem Schlaf zu reissen. Mehr intuitiv als darüber nachzudenken, schlage ich unsanft gegen diese meinem Gesicht entgegenfallende Beule im Zeltdach und vernehme ein nicht minder ueberraschtes Aufheulen eines in weitem Bogen davonfliegenden Tieres. Meine Neugier siegt ueber die Angst und ich luge durch einen Schlitz meines kleinen Zeltes und sehe gerade noch ein weisses Etwas im Gebuesch verschwinden. Die restliche Nacht verbringe ich mit meiner uninteressanten Lektüre und in Abwehrbereitschaft eines vermeintlichen Vergeltungsschlages meines nächtlichen Besuchers. Beim ersten Morgenlicht krieche ich aus dem Zelt und sehe dann unweit von meinem Lagerplatz eine kleine Farm und das dazugehörige Haustier. Ein riesiger, ohrloser, schmutziger, armselig aussehender, weisser Kater, der mit zusammengekniffenen Augen und gebührendem Abstand in der Sonne hockt und friedlich blinzelt. Über mich selbst lachend und mich bei dem Kater entschuldigend, mache ich mich auf gen Amaicha, einem kleinen Dorf mit einer hübschen Plaza und wenig Tourismus. Umso ueberraschter bin ich dann am Ausgang des Dorfes, das aesthetisch unglaublich gestaltete, aus Steinfiguren und Ornamenten konstruierte Museum “Pachamama” vorzufinden. Es beinhaltet eine Ansammlung von modernen Kunstbildern, handgewobenen Teppichen und historisch wichtigen Funden. Pachamama bedeutet “Mutter Erde” und wird durch symbolische, überdimensionale Figuren dargestellt. Mir persönlich war es etwas zu schön, stand im harten Kontrast zur Umgebung und spiegelte fur mich nicht wirklich Mutter Erde, Sonne und Mond wieder, welche hier näher als irgendwo zu sein scheinen! Bei der Weiterfahrt zu den Ruinen von Quilmes, wo ich im Schutze der Mauern eine ruhige Nacht verbringe, wäre meine Mutter sehr stolz auf mich gewesen, wenn sie gesehen hätte, wie schnell ich mein Zelt abbaute, trotz der Gegenwart einer grossen Spinne, einer wahrscheinlich noch jungen Tarantel, die erste und hoffentlich letzte, die ich in Südamerika entdecke. Seit meiner frühesten Kindheit bringe ich dieser Tiersorte wenig Sympathie, um nicht zu sagen grossen Greuel entgegen. Ich bin dann auch froh, dass diese vermeintliche Einzelgängerin ihre grosse Schwester nicht zu deren Belustigung über meine Panik vorbeibringt.

Ohne solcherlei Zwischenfälle fahre ich von den Ruinen auf der versandeten Strasse zurück auf die Hauptstrasse, die mich sehr schnell nach Cafayate bringt. Einigermassen überrascht bin ich, als ich kurz vor Cafayate auf ein tandemfahrendes franzoesisches Pärchen treffe, die zu dieser Jahreszeit auf dem Weg in den Süden sind. Sie wollen in nur 6 Wochen nach Ushuaia gelangen, mit Hilfe von eingebauten Schiffs- und Bustransfers, die sie ueber bereits geschlossene Strassen und Schneezonen bringen sollen. Unterdessen habe ich ein Mail von den beiden erhalten, in dem sie von ihrer unterkühlten aber gesunden Ankunft in Ushuaia berichten, das unter einer winterlichen Schneedecke liegt. Naja, jedem so, wie er es haben will!

Mal eingefahren in Cafayate, das mir mit der grosszügig gestalteten Plaza und den Restaurants auf Anhieb gefällt, suche ich mir ein schattiges Plätzchen und beobachte das bunte Treiben dieses kleinen Örtchens. Obwohl es ein Ort ist, der zum Verweilen einlädt, fahre ich am gleichen Tag weiter und geniesse die Fahrt durch wilde Felsformationen mit unglaublichen Farbspielen. Einige der dort wohnenden Indígenas leben von selbst hergestellten Töpferwaren. Mit  Lehm aus dem Garten und dem selbst konstruierten Brennofen verbringt die ganze Familia den Tag mit der Herstellung der verkaufsträchtigen Figuren und Gegenständen, die sie dann an der Strasse feilbieten.

Fast sieben Tage sind nun vergangen. Ich habe viel Schönes erlebt und gesehen, und dennoch gelange ich zu der Einsicht, dass dies alles zu zweit schöner ist. Mehr und mehr freue ich mich auf Salta und auf das Wiedersehen mit meinem Liebsten. Nach acht Tagen treffe ich in der schönen Stadt Salta ein!
Potosí de Petra

Salta
Salta gefällt mir auf Anhieb. Kurz nach meiner Ankunft lerne ich Cecilia vom Touristenbuero kennen, die mich prompt einlädt, mit ihr am nächsten Tag das “MAAM- Museum” zu besuchen. Ich finde ein nettes Hostal im Zentrum mit vorwiegend einheimischen Gästen, inmitten der Riesenstadt. Um die Ecke organisiere ich unsere Spanischlehrerin Graciela, die nicht nur mich, sondern einige Tage später auch Dipo begeistern sollte.

Die folgenden Tage geniesse ich diese bunte, quirlige und laute Stadt alleine oder mit den zahlreich anwesenden Bikern, die wir verschiedentlich auf unserem Weg in den Norden kennengelernt oder streckenweise begleitet haben. Mit von der Partie waren wieder Liam und Claire, das englische Pärchen vom Lago Desierto, Tom und Alain, zwei sympathische Berner, Christina und Philippe und Tim, ein englischer Gentleman.

Nicht zu vergessen Felix aus Deutschland.  Allesamt abgestiegen im Hostal ”Terra Oculta”, wo wir uns nach dem Motto”Gleich und Gleich gesellt sich gern” nach Dipos Ankunft hinzugesellen.

Dipo erreicht Salta drei Tage nach mir, vollbärtig, schmutzig und abenteuerlich riechend. Wir fallen uns in die Arme, glücklich, uns wiederzuhaben. Es gibt viel zu reden und einander zu erzählen und wir sind uns einig, dass es uns beiden gutgetan hat, diese Zeit der Stille. Auch sind wir uns einig darüber, dass wir uns auf die gemeinsame Weiterreise freuen.

Nach einigen Tagen Erholung, Spanischunterricht, etlichen Museumsbesuchen und abendlichen Biketouren auf den Cerro Bernardo, den Hausberg von Salta, sind wir reif und vorbereitet fuer die Weiterreise. Allerdings lassen wir uns das Vergnügen nicht nehmen, das WM-Spiel Argentinien gegen Ecuador mitzuerleben. Ein ganz besonderes kulturelles Erlebnis. Besonders vergnüglich weil Argentinien gewinnt und die Stadt in einen positiven Ausnahmezustand verwandelt. Gross und klein tanzt, hupst und jubelt bemalt die Strassen auf und ab. Wir werden vom argentinischen Fernsehen zu unserer Anwesenheit, Herkunft und Gefühlen der argentinischen Bevölkerung gegenüber befragt und hell begeistert in die Menge gezerrt um mitzufeiern. Toll zu sehen und zu spüren wie volksverbindend und positiv sich so ein Nationalsport oder so eine WM auswirken kann.

Potosi de Petra