Die Berichte |
Lima (09.10.) - Piura (23.10.06) |
Um in "Lance Armstrong Manier" nach Lima "reinzuhämmern" suchen wir uns einen ruhigen Sonntagvormittag aus, um nicht völlig über den Haufen gefahren zu werden. Natürlich verfahren wir uns und finden uns in einem Viertel wieder, vor dem mich meine Mama immer gewarnt hat. "Nichts wie raus hier, das stinkt nach Stunk!", über rote Ampeln rüber und bloss nicht anhalten. Eine älter Dame ruft uns zu: "Was wollt ihr denn hier, das ist gefährlich, seht zu, dass ihr abhaut!". Petras Muckis und unsere gut sichtbaren "Hundeknüppel" haben uns sicher vor Schlimmem bewahrt. Lima gibt uns wieder die Möglichkeit, unsere "Wunden zu lecken", die Fahrräder zu "streicheln" und alle Besorgungen zu machen. Auch haben wir hier wieder mal die Möglichkeit, uns für ein paar Stunden aus dem Weg zu gehen. 24 Stunden Zusammensein, der Alltag auf dem Rad lässt kaum Spielraum für eigenes Erleben, Sichtreibenlassen und die Gedanken zum Ausruhen zu Schicken. Trotz all der Angebote verbringen wir die meiste Zeit mit Nichtstun, nur schon die Klamotten einfach liegen lassen zu können und 2 mal im gleichen Bett zu schlafen, vermittelt schon ein kleines Heimatgefühl. "Al Norte, Corazon!" - mit günstigen Winden gehts die Panamericana und nach Baranca hört der Spaß erst mal wieder auf: Huaraz und die Cordillera Blanca wollen verdient sein mit endlosen Kletterpartien in Serpentinenform. Dennoch belohnt uns die Landschaft wieder mal: Weite Hochtäler und die klare Luft sind für mich, den Rhoener Bewohner der "offenen Fernen" ein Hochgenuss. Eigentümlicherweise stellt sich bei mir immer ein sonderbares Stimmungshoch ein, wenns über 4000 m hoch geht. Alles wird so leicht und klar, alles ist Eins und... vielleicht wird aber auch nur durch die Sauerstoffknappheit die linke Hirnhälfte kurzgeschlossen, so jedenfalls Petras Erklärungsansatz. Huaraz und die Cordillera Blanca- die Schweiz Perus! Na ja, die Stadt ist ein Bretterhaufen aber die umliegende Bergwelt "impressionante!". Wir würden gerne eine der spektakulären Wanderungen unternehmen, aber "der Wagen, der rollt". Bei intensivem Kartenstudium haben wir mit Schrecken festgestellt, dass wir etwas gebummelt haben und doch besser jetzt mal richtig fahrradfahren sollten. Also rauf auf den Bock und durch das "Canon del Pato", eine Felsenschlucht von solch immensen Ausmassen, dass wir uns glatt hinlegen, ich zum Photographieren und Petra unfreiwillig in einem unbeleuchteten Tunnel. Obwohl das ja "total uncool" ist für verwegene Tourenradler, setzen wir unsere Helme auf, angesichts der Steinbrocken, die es hier von oben regnet. Trujillo ist ein beliebter Anlaufpunkt für Fahrradgaukler aus aller Welt, denn "Don Lucho" führt hier das "casa de ciclistas": Hafen, Treffpunkt, Werkstatt, Ersatzteillager, Info-Boerse oder einfach eine liebenswerte Familie, die jedem Radler Unterscjlupf und Hilfe bietet. Auf engstem Raum wird hier geschlafen, repariert, geplaudert und gelacht. Stundenlang blättern wir im Gästebuch und finden Einträge und Fotos von allen möglichen Radvagabunden. Lucho kramt die ganze Nacht in seinem Chaos nach einem Ersatzteil, das durch Petras rustikale Fahrweise "die Grätsche gemacht hat". Freudestrahlend hält er am nächsten Morgen die original Ortlieb-Halterung in die Höhe - wir Könnens kaum glauben, küssen ihm die Füße und Petra kocht für die ganze Mannschaft ein fürstliches Radleressen. Tags darauf begleitet er und Jean - Baptiste, ein schlaksiger Frankokanadier mit ausgeprägter Affinität zu peruanischen Teenagern, uns in Richtung Norden. Vorbei an einer berüchtigten Passage, die sich offensichtlich prächtig eignet, wehrlose Radtouristen bis auf die Unterhose auszurauben. Lucho hatte in der Vergangenheit mehrfach das Vergnügen, die Opfer wieder aufzurichten und neu auszustatten, dass sie sich wieder auf die Reise machen konnten. Mit diesem "Geleitschutz" kommen wir wohlbehalten im 120 km entfernten Pacasmayo an. Lucho ist wie ausgewechselt, bei 90 Umdrehungen pro Minute lebt er richtig auf. Ein Radverrückter oder einer, der auf dem Sattel der Enge und der Schwiegermutter zu Hause davonfährt? Herzlich verabschieden wir uns von unserem neuen Freund, einem lieben, verrückten Kerl, der seinesgleichen sucht. In Pimentel bei Chiclayo legen wir einen Strandtag ein, sehen den Fischern in ihren traditionellen Totorabooten zu und essen wieder einmal mehr, als wir radeln können. Die Strecke nach Piura flüstern wir über glatten Asphalt auf der im Bau befindlichen "Interoceania", einer der von Brasilien finanzierten West - Ost Verbindungsstrassen. "Rumms!" - Petra hatte angehalten, um zu photographieren und ich bin von Hinten voll in sie reingekracht, da ich in meine Spanischvokabeln vertieft war. "Männer können eben nicht zwei Dinge gleichzeitig tun!" Diese und ähnliche diskriminierende Sprüche muss ich mir daraufhin anhören. Zum Glück ist nichts passiert! Ansonsten ist es hier sehr ruhig, doch bald wird hier der Schwerlastverkehr rollen, die Entwicklung ist nun mal nicht aufzuhalten. Wir freuen uns über den glatten Asphalt und lassen schon mal die Eindrücke Perus Revue passieren. Ein Land, vor dem uns alle gewarnt hatten, zeigte uns jedoch seine Sonnenseite. Kurz vor Piura begegnen uns Paco und Juanito, zwei aufrichtige Gesellen, die von ihrem Bienenvolk nach Hause radeln. Sie erzählen voller Stolz und Passion von ihrer Arbeit und lassen uns sogar vom "propolis" probieren. Ohne Neid und voller Interesse hören sie sich unsere Geschichte an und stellen hundert Fragen. Beredtes Beispiel für ein zufriedenes Leben, das von Arbeit und Tradition geprägt ist. Einer der vielen Glanzlichter, die uns immer wieder leuchten. Wir sind auf dem Weg nach Sullana, die Grenze nach Ecuador liegt nur noch zwei Tagesreisen entfernt. "Adios, Peru! Vamos al Norte!" Dipo de Quito, 23.11.06 |