Mit der Ueberquerung der sturmgepeitschten Magellanstrasse verlassen wir “Tierra del Fuego” und haben gleichzeitig die erste Reifepruefung hinter uns. Radfahren hier ist eben nicht wie in Europa, weit sind die Distanzen und der Wind zwingt uns mitunter zu kleinen Tagesetappen, so dass wir das eine oder andere mal an die Grenzen unserer Essens- und Wasservorraete gelangen. Ganz zu schweigen von der physischen- psychischen Herausforderung. Der Wind verdient ein eigenes Kapitel, worueber Petra noch ein Liedchen singen wird...... Noerdlich von Puerto Natales lassen wir “Cuevas del Milodon” rechts liegen – uns ist nicht nach Menschenmassen und knipsenden Japanerscharen. Vielmehr geniessen wir die zauberhafte Landschaft- ein menschenleeres weites Tal, das ausgebreitet sonnig vor uns liegt. Ein froehlicher Idealist laedt uns ein, seinen “Etno-Naturalpark” zu besuchen, den er mit verschiedenen einheimischen Kuenstlern gerade aufbaut. Lebensgrosse Holzfiguren stehen wie Mahnmale in dieser mystischen Landschaft. Sie stellen die verschiedenen ethnischen Gruppen der Ureinwohner dar: Aonikenk, Selknam und Yamana waren perfekt an die widrigen Umstaende dieses Landes angepasst und haben hochentwickelte Fertigkeiten und differenzierte soziale Strukturen entwickelt. Wir erfahren viel ueber diese Voelker, zB die Initiationsriten, archaisch anmutend und doch ueberraschend aktuell: der junge Mann tritt nach einer harten Ausbildung und Pruefung ins Erwachsenenalter ein und ist fortan vollverantwortliches Mitglied der Gruppe. Die ersten weissen Missionare “ zivilisierten” diese “Wilden”, indem sie sie kleideten, zwangen in Haeusern zu wohnen und ihre Lebensgewohnheiten aufzugeben. Die Folgen waren Infekte aufgrund der nassen Kleider, eingeschleppte Krankheiten durch infizierte Kleidung, Verfolgung und schliesslich die restlose Ausrottung. Stumm besteigen wir unsere Raeder, lange noch bleibt dieser denkwuerdige Eindruck in unseren Koepfen. Wir naehern uns von Sueden dem “Parque National Torres del Paine”, was in der Sprache der Ureinwohner “blaue Tuerme” bedeutet. Je nach Sonnenlicht und Tageszeit gelingt es einem dann auch, einen Blick dieser imposanten Felsformationen zu erhaschen, die senkrecht und gewaltig tausend Meter hoch in den Himmel ragen. Ein Eldorado fuer die Elite der Kletterer, mancher verbringt jedoch Wochen im Basislager bis das Wetter den Aufstieg erlaubt. Wir erarbeiten uns dieses Naturschauspiel in einer kraeftezehrenden Anfahrt ueber eine Schotterpiste mit faustgrossem Geroell ueber 80Kilometer, eine Strasse die sich gerade im Bau befindet und fuer den oeffentlichen Verkehr gesperrt ist. Oft sind wir gezwungen zu schieben, manchmal muessen wir sogar zu zweit die Raeder ueber steile Rampen wuchten. Ein Unterfangen, das nach 6Stunden Plackerei ungemein den Gemeinschaftssinn staerkt. Mit Unmengen Sprengstoff werden bis zu 20Meter tiefe Schneisen durch den Fels geschlagen – ein Wahnsinnsprojekt. Die Militaers, die den Bau bewachen, winken uns freundlich, wenn auch kopfschuettelnd zu. Gerne nehmen wir diese Anstrengung in Kauf, da der Umweg ueber den offiziellen Eingang zwei bis drei Tage laengeren Kampf gegen den Wind bedeutet haette. Am Abend fallen wir todmuede in unser Zelt, nach 8Stunden Ruettelpiste und Staub. Wir sind sehr froh ueber unser neues Zuhause, ausreichend gross, um alles Gepaeck unterzubringen, nasse Sachen aufzuhaengen und bei Regen oder Sturm in der Apsis zu kochen.Ein huebsch beleuchtetes Zelt auf einem Bergkamm gibt zwar ein schoenes Bild ab, ploetzlich aufkommende sieben Windstaerken in der Nacht vermitteln uns jedoch den Eindruck, in die Erdumlaufbahn geschleudert zu werden. Der Hersteller hat recht: es ist sturmstabil!
Wir treffen immer wieder interessante Leute, wie zum Beispiel Greg aus Kalifornien, der vor 20Monaten mit dem Rad in Alaska aufgebrochen ist. Auf offener Strecke stehen wir dann da mit unseren vollbepackten Raedern und lauschen mit grossen Augen den Erzaehlungen und Empfehlungen. Wir tauschen Email-Adressen aus und trennen uns wieder- intensive Begegnungen auf einer Wellenlaenge- adios, suerte! Zur Verabschiedung wuenscht man sich hier “Glueck”, ein schoener Brauch, der von vielen Reisenden gerne uebernommen wird.
Im Park schlagen wir an verschiedenen Punkten unser Lager auf wandern zum Grey-Gletscher und bestaunen die immensen Eismassen, die sich in einem breiten Strom in den See waelzen. Wir unternehmen mehrere Tagestouren zu fuss, die schoensten Ausblicke kann man nach laengeren Fussmaerschen geniessen und oft stockt uns angesichts dieser unbeschreiblichen Gebirgslandschaft der Atem. In einer Vollmondnacht durchqueren wir den Park, eine nicht enden wollende Huegelkette bis zum oestlichen Parkeingang. Guanakos kreuzen die Strasse, der Mond beleuchtet die unwegsame Piste. An der Rangerstation klopfen wir nachts um elf etas zaghaft an, uebergluecklich nehmen wir einen Sack Proviant entgegen, den wir zwei israelischen Jungs im Bus mitgegeben hatten. Wir oeffnen unser Paeckchen wie ein Weihnachtsgeschenk: Nudeln, Reis,Mehl, Schokolade und Sprit fuer unseren Kocher. Von dem Benzingeschmack, der sogar vor dem eingeschweissten Muesli nicht halt machte, zehrten wir noch eine Woche. Zwei Woichen Staub und Dreck haftet an uns und unseren Raedern, braungebrannt und sandgestrahlt reiten wir in El Calafate ein, dem Touristenmekka am Tor zum Natinalpark “los Glaciares”. Zuallererst hauen wir uns die Baeuche voll mit allem, was das Herz begehrt. Zeit fuer eine gruendliche Koerper- und Bikeueberholung , schlafen bis der Arzt kommt und diverse Pizza- Belastungstests. Wir sind sicher, in wenigen Tagen juckts uns schon wieder in den Beinen – vamos a ver!
Dipo el Calafate 25.Februar 2006
PS: Wir freuen uns natuerlich sehr ueber den grossen Anklang, den unsere Spendenaktion zu Gunsten “Aerzte ohne Grenzen “ findet. Herzlichen Dank allen Spendern!
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