Die Berichte |
Carretera Austral 12.03. - 06.04.2006 |
Die Carretera Austral ist die Traumstraße jedes Reisenden. Sie erstreckt sich von Villa o Higgins über Cochrane, Coyhaique, Puyuhuapi bis Puerto Mont auf ca. 1000 km Laenge. Sie ist der Inbegriff von Natur. So Beschreibungen aus Buechern und von Reisenden. Wir erholen uns einen Tag in Villa o Higgins , ein Ort der mir persoenlich wie das Ende der Welt erscheint. Die Leute scheu und reserviert, wirken etwas deprimiert. Wir fuellen unsere Vorraete auf, machen sonst noch einige Erledigungen und fahren auf die vielgepriesene Strasse. Liam fuehlt sich krank, deshalb fahren wir sehr bedaechtig. Der Regen wird immer staerker, und als es schliesslich unangenehm kalt wird, stellen wir nach 50 Kilometer das Zelt auf. Nach einer nasskalten Nacht, gehts morgens im stroemenden Regen weiter. Wieder gilt es eine Faehre zu erreichen, welche dreimal taeglich von Rio Bravo nach Juncal verkehrt. Die Strasse ist sicherlich ein Traum, nur haengen unsere Kapuzen ueber den Augen und das Wasser laeuft uns in die entlegendsten Ritzen. Es gibt nichts an unserem Koerper was nicht nass ist. Wir koennen Liams Gepaeck in einem Kuhtransporter unterbringen, dessen Fahrer verspricht, es an der Anlegestelle der Faehre zu deponieren und so schaffen wir es, eine Stunde vor Abfahrt der letzten Faehre in Rio Bravo anzukommen. Wir muessen ein erbaermliches Bild abgegeben haben. Wir alle wie aus dem Wasser gezogene Katzen, Liam schlotternd, erbrechend in den Bueschen haengend und das alles bei ca. 5 Grad Celsius. Aus einem der drei wartenden Autos kommt der Fahrer mit einem Sack frischer Fruechte. Der Lastwagenfahrer verschwindet im dritten Pickup, um nach kurzer Zeit mit der Idee auf uns zuzukommen, alle Raeder auf seinen leeren Lastwagen zu binden und uns im Pickup und seinem Lastwagen nach Cochrane mitzunehmen. Dankbar, schlotternd und laechelnd nehmen wir an. Dipo und ich fahren im Lastwagen mit. Der junge Fahrer heisst Guillermo und plaudert lustig vor sich hin. Er erzaehlt von sich, seiner Familie, seiner Arbeit bietet uns Coca Cola an und freut sich, dass wir unsere nassen Sachen ueber seinem ganzen Heizsystem verteilen. In halsbrecherischer Fahrt gehts durch enge Passagen, Paesse, Schluchten ueber Bruecken, steile Abfahrten, um am naechsten Huegel um so extremer wieder hochzufahren. Geschickt weicht er metertiefen Loechern aus ohne zu uebersehen, dass es rechts neben der Strasse viele Meter in den Abgrund geht. Es regnet ohne Unterlass und ich spuere eine tiefe Dankbarkeit, hier in diesem warmen Cockpit zu sitzen. Spaet abends haelt der Lastwagen vor einer Hosteria an. Guillermo hat das alles schon mit dem Pickupfahrer vorbesprochen und Reiner; Claire und Liam sitzen schon am Kuechentisch der netten Señora. Nun wissen wir zwar noch nicht ganz genau wie schoen die Carretera Austral, aber auf jeden Fall warum sie so fruchtbar ist. Obwohl am naechsten Tag die Sonne scheint, trauen wir uns die naechste Etappe noch nicht zu. Erst alles trocknen lassen, Fahrraeder checken, dann weiter! Die Gruppe trennt sich. Reiner verlaesst uns am folgenden Tag. Claire und Liam bleiben einen Tag laenger als wir, um Liams Magenverstimmung auszukurieren. Als wir losfahren wollen, regnet es so stark, dass wir unsere Abfahrt um einige Stunden verschieben. Wieder einmal beschleicht uns das leise Gefuehl, wir waeren etwas spaet dran von der Jahreszeit her. Die Leute beruhigen uns jedoch mit den Worten: “Nein, nein hier regnet es eigentlich immer!” Die naechsten paar Tage fahren wir durch wunderbare Schluchten, ueber Hoehenstrassen, alpenaehnliche Gegenden, an Seen vorbei mit tropenaehnlichen Gewaechsen, Riesenbaeumen, Wasserfaellen, Fluesse und schlafen unterm Sternenhimmel. Die Steigungen sind sehr schwer zu erklimmen, da die Neigung unsere Pedalkraft oft uebersteigt, wenn dann grober Schotter dazu kommt, fuehrt es nicht selten zu Stuerzen. Die verlaufen zwar aergerlich, jedoch meist glimpflich, da die Taschen den Sturz meist ziemlich gut abfedern. Wir kommen an vielen Seen vorbei, wo das vielgepriesene Fliegenfischen praktiziert wird. Fuer meinen Geschmack etwas zu viel Spass an der Sache. Die meisten fischen nicht um den Fisch zu essen sondern um ihn nach dem unsanften Erlebnis wieder zurueck in die Freiheit zu entlassen. Nach Puerto Bertrand, ein idyllisches kleines Oertchen, wo allerdings schon die Winterstarre eingekehrt ist, kommen wir zum Lago Buenos Aires und wir entscheiden uns trotz schwieriger Wetterbedingungen auf der Carretera Austral zu bleiben. Wir biegen nach links ab und fahren weiter ueber Puerto Rio Tranquilo nach Puerto Murta, vorbei an wundersamen Gegenden. Eine Nacht verbringen wir am “Bosque Muerto” (toter Wald), der durch kuerzliche Eruption des Vulkans Hudson abgebrannt ist und heute im Wasser steht. Ein mystisches Bild gibt dieser todgeweihte Wald ab, der gleichzeitig soviel Pflanzen und Tieren neuen Lebensraum bietet. Wir fahren durch Cerro Castillo, um anschliessend den Paso Ibanez mit seinen 11 km Serpentinen zu erklimmen. Am naechsten Tag treffen wir in Coyhaique ein. Wir geniessen das Stadtleben zwei bis drei Tage, um dann frisch erholt bei Regen aufzubrechen, denn der Wetterbericht verspricht Besserung. Ich denke, wir haben den Zeitpunkt gut gewaehlt, denn nach drei Stunden laesst der Regen nach und wir koennen die Fahrt nach Manihuales geniessen. Die Nacht verbringen wir in einem fensterlosen, diffusen Rotlichtzimmer in einer heruntergekommenen Hostal mit 12 Minenarbeitern fuer umgerechnet 4 Euro. Weiter gehts ueber Villa Amengual nach Puyuhuapi. Die enge Schotterstrasse fuehrt uns durch diese Regenwaldaehnliche Landschaft. Ich habe zu wenig Worte, diese Umgebung angemessen zu beschreiben. Wir ueberqueren Bruecken mit tuerkisblauen Fluessen, stehen unter 1000 Jahre alten Baeumen, saugen den Duft dieser Natur ein, hoeren die Stimmen der Tiere, lauschen der Stille. Wasserfaelle rieseln donnernd alle paar Meter in die Tiefe, versorgen uns mit glasklarem, frischem, eiskaltem Quellwasser. Paesse hoch, die sich im Nebel verlieren, um hinten schroff hinunter uns wieder eintauchen lassen in der feuchten Geborgenheit des tropisch anmutenden Waldes. Farne, so gross wie Sonnenschirme, Beeren, Blumen und Baeume in allen Groessen und Formen. Wir durchqueren Schluchten, in denen tosende Wassermassen die Via Mala in den Schatten stellen. Der Anblick raubt uns den Atem. Voller Bewunderung stehen wir da und sind fassungslos ueber so viel Natur und pure Energie, die hier zu Hause ist. Wie klein und unscheinbar so ein Menschenleben, so ein Moment erscheint in dieser Umgebung. Voller Respekt stehen wir hier und ergeben uns Mutter Natur. Soviel auf einmal ist kaum zu ertragen. Traenen von Ergebenheit und Dankbarkeit fuellen meine Augen. Beeindruckt und gleichzeitig beschaemt nehmen wir diesen Moment, dieses Geschenk an, hier als Gast durchfahren zu duerfen und dieses Naturschauspiel wie in Trance in uns aufzusaugen. Wir fahren voller Demut durch diese Natur und als wir in Puyuhuapi ankommen und den Pazifik riechen, der dort zwischen den Fjorden an die Carretera muendet, setzen wir dem Ganzen noch ein Kroenchen auf: Wir fahren mit dem Taxiboot ueber die Bucht zu einem Hotel mit eigenen Thermen und verbringen dort eine Verwoehnnacht vom Feinsten. Dieses Hotel ist nur mit dem Boot erreichbar und da die Saison zu Ende ist, geniessen wir eine ganze Anlage mit Personal fuer uns alleine. Koenigliche Kroenung in einer Gegend, die der Natur die Krone aufsetzt. Bei schoenstem Wetter radeln wir frisch gebadet und erholt nach La Junta, dort werden wir in einem einfachen Hostal so herzlich aufgenommen, dass unserem Carretera Austral Erlebnis kein Regentropfen mehr etwas anhaben kann. Tia Letti, eine Pionierin in dieser Gegend, die uns bis spaet in die Nacht hinein (Wir beim Bohnenzupfen, die Maenner am Bier nuckelnd) von ihrer Jugendzeit hier in La Junta erzaehlt. Wie sie lernen musste, Fruechte einzumachen, Kaese und Fleisch haltbar zu lagern, Gemuese anzupflanzen, ein Kochbuch studiert hat, um die ganzen hungrigen Kinder im Dorf zu fuettern. Das alles, weil sie ueber den Winter festsassen und kein Lieferdienst bis zum Dorf kam. “Heute”, so sagt sie, “ist alles anders” und wenn die Carretera erst mal asphaltiert ist, in einem Jahr, wird es einfach sein, hier zu leben. Sie hat ihren Enkel Fabian bei sich, der zu weit draussen lebt, um jeden Tag zur Schule zu gelangen. Also bleibt er die Woche hindurch bei ihr. Er will mal Zahnarzt werden und Dipo bietet ihm fuer die Studienzeit ein Praktikum in Deutschland an. “Vamos a ver!” Fabian ist jetzt 13 Jahre alt. Herzlich Verabschiedung und los gehts gen Villa Sta Lucia, wo wir die Carretera Austral verlassen, um ueber Futaleufu auf die argentinische Seite nach Trevelin weiter nach el Bolson und nach Bariloche, dem Wintersportmekka zu gelangen. Trevelin de Petra |